Eine Geschichte von vor etwa anderthalb Jahren:
Originaltitel: Sturm und Drang.
Andreas legte seinen Kopf schräg und atmete erschöpft aus. Da sass er nun, das leere, schneeweisse Papier, welches ihn in seiner Unbeflecktheit hämisch anzugrinsen schien, vor sich liegend, Bleistift besser gespitzt als es überhaupt möglich war und auf der Toilette war er auch gewesen.
Es gibt jetzt keine Ausrede mehr. sagte Andreas zu sich.
Fang an! Ruhe.Ich werde darüber schreiben, dass ich den Papst für eine Witzfigur halte. beschloss er und setzte den Stift an.
„Die Wahrheit über den fehlbaren Unfehl…“ murmelte er vor sich hin.
Das ist keine sehr gute Idee, schliesslich ist Frau Drechsler eine strengkatholische Patriotin. S
o etwas könnte mich die Versetzung kosten. schoss es Andreas plötzlich durch den Kopf. V
ielleicht wäre es besser, wenn ich den… Er erhob sich und schlurfte gemächlich zur Küche, nahm ein sauberes Glas aus dem Schrank und liess dasselbe mit kühlem Leitungswasser volllaufen. Mit hastigen Schlucken spülte er das Getränk durch seine Kehle, knallte das Glas wieder auf den Tisch und trat seinen Rückweg zum Arbeitszimmer an.
Bei der Politik ist es doch genau dasselbe. Wenn ich nur mit Sicherheit sagen könnte, welcher Partei Frau Drechsler angehört. Dann könnte ich was Fieses über deren Gegner zu Papier bringen.Andreas sass erneut vor dem weissen Blatt, auf dem sich nun der durchgestrichene Satz „Die Wahrheit über den unfehlbaren Unfehl“ befand, der die grausame Wahrheit nur noch mehr in den Wahrnehmungsbereich von Andreas’ Realität zerrte.
Dieser klickte dann gut eine halbe Stunde an seiner Computermaus herum und konnte in Erfahrung bringen, dass Frau Drechsler einer traditionell-konservativen Mitte-Rechts-Partei angehörte und deren Wahlprogramm etwa zu hundert Prozent den Nicht-Meinungen von Andreas entsprach.
„Um die grosse Geniezeit zu verstehen, müsst ihr vielleicht selbst so einen Text schreiben“ hatte Frau Drechsler gesagt. „Also, überlegt euch etwas möglichst Provokatives und bringt es mit enormer Energie zu Papier! Ich freue mich jetzt schon darauf, diese unbequemen Schriftstücke zu lesen.“„Ich denke…“ begann Andreas „…dass die linke soziale Partei keinen guten Kurs verfolgt. Viel besser hingegen ist…“
Er legte den Stift ab und starrte ins Nichts.
Wie war das? Gut? Zu… einseitig vielleicht?„Obwohl natürlich auch diese Standpunkte ihre Berechti…“
Besser. Das war ja schliesslich ein neutrales Land. So schrieb er weiter. Er schrieb und schrieb, beleuchtete verschiedene Standpunkte von allen Seiten aber setzte natürlich, um der Aufgabe gerecht zu werden, hin und wieder geschickt einige leicht rechts gefärbte Tendenzen ein. Nacht. Tag.
Markus hatte die Aufgabe nicht erledigt. In einer unglaublichen Hektik kritzelte er die fünf Worte „Diese Aufgabe war absolut scheisse.“ auf sein Blatt Papier.
Als Frau Drechsler die Arbeiten einsammelte, betonte sie erneut, dass sie sich auf die Lektüre freue.
Andreas erhielt eine gute 5.25.
Markus fiel durch.