Sie machte eine seltsame Entdeckung, als sie am ersten Morgen ihrer Reise in die fernöstlichen Kloster, von denen sie im Internet so viel gelesen hatte, erwachte. Zuhause, im fernwestlichen Vorort einer steuergünstigen Stadt, wohnte sie neben einer Hauptstrasse und die Motoren des Fernverkehrs waren ihr bessere Freunde geworden als mancher Cousin.
Die Entdeckung war akustischer Natur. An die rasenden Zylinder hatte sie sich nämlich dermassen gewöhnt, dass sie jetzt, da höchstens mal ein Vogel schrie, ein Loch fühlte, ein Loch in der Form von Lastwagenlärm. Löcher hatte sie schon immer gehasst, ihre Socken stets zusammengenäht oder weggeworfen, wenn sich in ihnen eines gebildet hatte und ins Emmental wäre sie nie gezogen.
"Meine Ohren suchten so unglaublich verzweifelt nach ihrem geliebten brummenden Rauschen, es tat mir in der Seele weh", sagte sie einen Monat später im Gerichtssaal.
Man munkelte im Kloster, der Vorsitzende könne bei jeder Art von Problem helfen und so erklomm sie die Stufen zum Turmzimmer, wo der Vorsitzende um diese Tageszeit zu meditieren pflegte. Die Pistole hatte sie vorsichtshalber schon geladen.
Als sie fünfundzwanzig Jahre später aus dem Gefängnis entlassen wurde, einige Jahre früher wegen guter Führung, kaufte sie sich einen riesigen Bassverstärker und googelte "Strassenlärm".
"Mein Kind, ich spüre Unruhe in deiner Seele", sagte der Vorsitzende klischeehaft.
"Meister, ich vermisse, was mich, so wie ich glaube, unglücklich machte."
"Mein Kind, auch der Mensch sehnt sich nach der Berührung seines Wesens. Teig kann man nur kneten, nicht streicheln", sagte er.
Ob der Weisheit traten ihr Tränen in die Augen, sie lächelte beseelt.
"Meister, lassen Sie mich eine Autobahn bauen!"
"Mein Kind, tue, was Papa sagt!", raunte er. Da sah sie, dass er gar nicht mit ihr sprach sondern mit seiner zweijährigen Tochter und dass Mein Kind ganz wörtlich gemeint gewesen war, doch Kinder waren im Kloster verboten und ihre enthüllende Reportage über die schleichende Korruption in geistlichen Einrichtungen brachte ihr im Westen zwar Ruhm ein aber Amnesty konnte sie nicht aus dem fernöstlichen Gefängnis holen, weil alle Leute damit beschäftigt waren, Waren zu transportieren in Lastwagen und so spendete gar niemand.