Ein Loch hinterlassen

Die Dame mit den nett gekrausten, grauen Haaren war im ganzen Viertel bekannt, nicht nur bei den Kindern, aber besonders bei denen, denn am Wochenende, wenn keine Schule war, spazierte sie stets lächelnd durch das Quartier und verteilte selbst gerollte Joints. Sie fühlte, wie ihre Seele ganz warm wurde, wenn sie die zufrieden kiffenden Kinder sah.
Leider hatte sie keinen sehr zuverlässigen Tritt mehr und so kam es, dass sie eines Nachmittags auf ihrem Balkon stürzte. Niemand hörte sie, ihre Stimme war sehr dumpf und hatte gegen die Herbstböen keine Chance.
Die Kinder begannen bald zu reden, wo sie wohl war, schliesslich war es Samstag und sie sehnten ein High. "Vielleicht ist ihr etwas passiert?", sagte ein Mädchen, sehr klug, aber so richtig hören wollten die anderen Kinder nicht. Vielleicht war heute einfach alles etwas anders.
Als die Dame, mittlerweile Kompost, was die Kinder nicht wussten, auch in der Folgewoche nicht erschien, war die Aufregung schon weniger gross. Dass sie nicht kam, war das neue Normal, ja, so schnell geht das, wenn man nicht aufpasst. Diesesmal dachte das Mädchen nur noch an die Dame, sprach nichts mehr aus.
Der Vater eines der Kinder war Polizist, er ging der Sache nach, als die Dame auch in der dritten Woche nicht auftauchte, sein Sohn sei unerträglich geworden, begründete er sein Interesse am Fall gegenüber dem Vorgesetzten.
Während der Urnenbeisetzung sangen die Kinder ein Lied, das sie in der Schule gelernt hatten, von Snoop Dogg. Das kluge Mädchen hatte seine Gedanken zum Glück vergessen.